Mal wieder zu einem der Mythen im Aufbereitungsbereich:
Naßschleifen.
Der eine macht's regelmäßig und kann sich nix schöneres vorstellen, der andere würde sich eher mindestens eine Hand abhacken bevor er mit Schleifpapier an seinen Lack geht.
Mist erzählen wahrscheinlich beide. Denn derjenige der davon schwärmt, weiß wahrscheinlich bloß nicht was wirklich schön ist, und der andere - da geh ich jede Wette ein - tauscht ruckzuck das Hackebeil gegen einen Bogen 2500er wenn's tatsächlich um die Wurst geht.
Die Wahrheit liegt also irgendwo dazwischen.
Naßschliff kann bei vielen Problemen eingesetzt werden.
Der echte Freak schleift aus seinem frischen Lack auch noch das letzte Pfutzelchen Orangenhaut raus, der Ökonom wendet die Technik an um sich die Arbeit zu erleichtern bei der Defektkorrektur bzw. partielle Geschichten gezielter zu entfernen.
Wir kümmern uns hier mal um letzteres.
Gleich vorweg: Beim Naßschleifen geht eine nicht unerhebliche Menge Lack flöten. Daß ist zwar letztendlich Sinn der Sache - keine Kratzerentfernung ohne Lackentfernung - aber auch gleichzeitig der Haken dabei.
Denn leider ist die Lackschicht, die zur Verfügung steht nicht unendlich dick.
Obwohl man zwar davon ausgehen kann, daß einem halbwegs gesunden, und nicht alle 14 Tage mit dem Lammfell geschrubbten Lack, ein 2000 oder 2500er Schliff nicht schadet, ist also in jedem Fall Vorsicht geboten.
Warum das ganze:
Zur Entfernung vereinzelter, tiefer Kratzer ist normalerweise der Naßschliff einem aggressiven maschinellen Schliff vorzuziehen, da die Defekte viel gezielter und auf im Idealfall sehr begrenzter Fläche bearbeitet werden können.
Selbst bei Defekten, die komplett maschinell entfernbar wären, bietet sich also oft ein Naßschliff an, da auf diese Art die angrenzenden Flächen geschont werden.
Es ist ein großer Unterschied, ob man mit einem starken Compound und Lammfell bzw. mindestens gröbstens Pads über die ganze Fläche arbeitet, oder aber nass vorschleift und dann nur noch mit einer Paste die für die Entfernung der Schleifspuren ausreichend ist nacharbeitet.
Der Lack dankt es einem auf jeden Fall.
Zum Werkzeug:
Alles dreht sich um's Papier. Die Angebotsware aus dem Baumarkt kann man getrost vergessen.
Höchste Qualität ist hier kriegsentscheidend. Nur mit bestem Papier kann zügig gearbeitet und ein gutes Ergebnis erzielt werden.
Hier bieten sich die Schleifpapiere von Nikken bzw. Meguiar's an, die sämtliche erforderlichen Eigenschaften garantieren.
Zur Vorbereitung legt man das Papier am besten schon am abend vorher in einen Eimer mit Wasser. Keine Angst, da löst sich nix auf, das kann da theoretisch wochenlang drinliegen. Man kann ein paar Tropfen Meguiar's #00 High Tech Wash mit reingeben oder einen Schluck Trockenwäsche. Normales Shampoo schäumt zu stark und ist weniger geeignet.
Zum späteren Schleifen, richtet man sich eine Sprühflasche mit dem selben "Gebräu" her oder auch - wie in diesem Fall - Meguiar's Last Touch (1:4 verdünnt).
Als Pad für das Papier eignet sich das von Meguiar's hervorragend.
Nicht zu hart und nicht zu weich. Daher für die meisten Anwendungen verwendbar.
Auch nicht vergessen: Ein paar ordentliche Microfasertuch's.
Na denn los:
Was haben wir hier?
Die obere Kante von einer Heckverkleidung Golf 4 in Black Magic Perleffekt.
Bei flüchtigem Hinschauen sieht's noch gar nicht soo schlimm aus.
Ist es aber doch. Läßt sich leider mit der Kamera nicht wirklich ideal einfangen.
Der eifrige Leser weiß mittlerweile, daß VW Lacke dieser Generation genauso hart sind wie Schwedinnen blond.
Vorherige Versuche, die unzähligen, tiefen Kratzer maschinell rauszupolieren sind gescheitert. Das Lammfell wäre noch als letzter Trumpf zu ziehen, ist aber aufgrund der Form und begrenzten Größe der Flächen sowie der oben aufgeführten Gründe eher weniger geeignet.
Also: Schleifen! (hier mit 2500er Papier)
In geraden Linien, mit nicht zu viel Druck gleichmäßig schleifen.
Alles immer schön NASS halten. Nicht FEUCHT.... NASS! Es hießt ja auch nicht Feuchtschleifen. Also... immer schon draufsprühen! Je mehr, desto besser. Nach einigen Zügen kann man das Papier auch mal durch einen Eimer mit sauberem Wasser ziehen zum Spülen.
Bevors dann wieder weiter geht, die bearbeitete Fläche großzügig einsprühen und mit Microfasertuch abwischen. So kann man zwischendurch kontrollieren wie weit man ist (oder ob evtl. die Grundierung schon durchleuchtet......).
So sieht das aus, wenn's schon ziemlich fertig ist. Für Herzkranke eher weniger empfehlenswert.......
Mit vereinzelten ganz tiefen Kratzern die evtl. übrigbleiben, sollte man leben können.
Diese ganz herauszuschleifen, nimmt zu viel Material weg und kann fatale Folgen haben. Ein bisschen Erfahrung hilft hier natürlich bei der Beurteilung gut weiter. Im Zweifelsfall ist aber grundsätzlich etwas weniger immer mehr. Und oft reicht es auch schon, die Kanten der ganz tiefen Kratzer über die Fläche etwas anzuschleifen, daß am Ende nicht mehr allzuviel zu sehen ist.
Da "Matt-Look" zwar momentan "in" ist, aber nicht jedem gefällt, wollen wir das jetzt natürlich aufpolieren.
Hier gleich die Aufräumung mit einem anderen Gerücht, das da lautet:
"Exzenter taugen nicht zur Entfernung von Naßschleifspuren"
Käse! Natürlich geht das.... Zumindest wenn man weiß WIE.....
Zum Einsatz kommt die Porter Cable mit 3 Zoll-Teller und einem 76mm 3M Spot Repair Pad (alle Rotex User dürfen jetzt zum Heulen in den Keller gehen....)
Als erster Schritt wird CUT 1.5 von Chemical Guys verarbeitet. Eine relativ grobe Schleifpaste, die scharf genug und auch mit dem Exzenter hervorragend zu verarbeiten ist. Noch dazu liefert CUT 1.5 ein gutes Finish und relativ wenig Staubentwicklung.
Nach zwei Durchgängen mit dem CUT 1.5 folgen 2 Durchgänge mit Menzerna PO 106 FA auf Megs W-8006 Pad.
Dann sieht's so aus:
Sämtliche Schleifspuren komplett entfernt. Top-Oberfläche auch unter Halogen und Blitzlicht.
Abschluß mit Zymöl HD-Cleanse und zwei Lagen DODO Juice Purple Haze:
Fazit:
Wer sich ein bisschen Mühe gibt, und sich auch evtl. mal eine alte Haube oder einen Kotflügel zum üben besorgt, der kann im Naßschleif-Verfahren erstaunliche Ergebnisse erzielen.
Auch wenn man natürlich mit der Rotationsmaschine schneller und leichter zum Schuß kommt bei der Nachbearbeitung, zeigt das hier, daß man auch mit einem ordentlichen Exzenter und dem richtigen Material ans Ziel kommt. Es dauert halt etwas länger.