Wir Autopflegefanatiker sind schon ein seltsames Völkchen. Während andere Menschen das Wochenende nutzen um sich von den Strapazen der vergangenen Woche zu erholen besorgen wir uns freiwillig noch Arbeit und legen zu dem Fulltimejob unter der Woche nochmal Nachtschichten am Wochenende ein. Und wenn man dann Sonntag Abends nach knapp 30 Stunden reiner Arbeitszeit sieht wie sich der Besitzer freut weiß man, dass man jede Minute davon gut investiert hat.
Aber ich fange mal von vorne an. Ich hatte dieses Frühjahr einen alten Mercedes Benz SL in meiner Garage, knapp 30 Jahre alt. Die Besitzerin (die Erstbesitzerin) war den Tränen nahe, als sie ihr Auto wieder in empfang genommen hat (vor Glück wohlgemerkt ), da war es nur eine Frage der Zeit bis ihr Mann auch bei mir auf der Matte stand.
Daten zum Fahrzeug:
Jaguar XK8
Baujahr: 1996
Laufleistung: 72000 km
Farbe: grau metallic
Verwendete Mittel:
Waschen:
Fix 40
2 Wascheimer mit GritGuard Einsätzen
Wasser
Chemical Guys Maxi Suds II
Valet Pro Heavy Duty Carpet Cleaner
Destilliertes Wasser
Kärcher Waschsauger
Diverse Mikrofasertücher zum Abtrocknen
Dodo Juice Mellow yellow Felgenreiniger
Diverse Felgenbürsten und Pinsel
Eine Bürste vom Schu(h)macher (das Handwerk, nicht der Rennfahrer )
Chemical Guys Heavy Duty Degreaser
Kneten:
Dodo Juice Born Slippy
Petzolds Magic Clean Knete (blau)
Polieren
Flex 3403 VRG
Lake Country Pads Orange
Lake Country Pads Schwarz
Diverse Mikrofasertücher zum abnehmen der Politur / abstauben
Menzerna PF2500
Menzerna SF 4000
Dodo Juice Lime Prime light
Versiegeln:
Dodo Juice Supernatural Hybrid
Viiiiiele Mikrofasertücher
Wachsen:
Swizöl Concorso
Swizöl Mikroflausch Tücher
Swizöl Mikrofasertücher Blau
Boah, wo fang ich an. Samstag morgens um kurz vor 7 bekomm ich den Schlüssel in die Hand gedrückt für ein Auto das neu über 150000 DM gekostet hat und auch wenn es mittlerweile günstig im Internet zu haben ist kosten Schäden immer noch richtig Geld.
Also bloß aufpassen, dass nichts kaputt geht. Noch kurz die letzten Details abgeklärt, und schon fuhr ich mit dem Jaguar vom Hof. Ein geiles Gefühl. Ich hatte mittlerweile schon ein paar richtig schöne und seltene Fahrzeuge zum aufbereiten daheim und bin sie teilweise auch gefahren aber irgendwie habe ich mich auf diesen Jaguar besonders gefreut. Ich kann es nicht so richtig in Worte fassen. Ist aber auch egal für diesen Bericht hier.
Also erst mal den Wagen daheim abstellen und begutachten. Zusammenfassung: Lack katastrophal, der Innenraum im großen und ganzen gepflegt, aber in ein paar Ecken hing doch noch einiges an Dreck.
Also ging es direkt los:
Auto einmal komplett wässern und an die Front all purpose cleaner (1:20) aufbringen um eingetrocknete Insektenleichen und anderen Dreck aufzulösen.
Während das wirkte habe ich das Dach mit Valet Pro Textilreiniger eingesprüht und das ganze mit der Bürste aufgeschäumt.
Als alles dann einweichen konnte habe ich mir die Wascheimer vorbereitet. Zur Dosierung des Shampoos nehme ich immer die Pröbchenbecher von Björn (Lupus Autopflege Shop Autopflege), da ich sonst immer zu viel oder zu wenig von den Shampoos verwenden würde. Also einen Eimer mit Maxi Suds II aufgeschäumt und den anderen Eimer zu 2/3 mit klarem Wasser gefüllt. Wie man ein Auto richtig wäscht hat ja jeder erst bei v2.moto gesehen, deswegen überspringe ich diesen Schritt jetzt mal.
Das Dach habe ich beim abspülen großzügig mit Wasser begossen um schon mal einen Teil des Reinigers wieder herauszubekommen.
Nach dem abtrocknen habe ich dann das Verdeck nochmal mit meinem Kärcher Waschsauger und destilliertem Wasser durchgespült und anschließend trockengesaugt. Das destillierte Wasser verwende ich immer, da ich Angst vor Kalkflecken habe die evtl. zurückbleiben könnten und dann später die Standzeit der Imprägnierung beeinflussen könnten.
An diesem Punkt an die Kärchermitarbeiter unter uns: könntet ihr BITTE den Waschsaugern 50cm längere Schläuche verpassen? Das würde das Bearbeiten von Cabrio Verdecken extrem vereinfachen, da man nicht immer mit einer Hand den Waschsauger hochheben muss. Vielen Dank!
Also das Auto reinstellen. Um den Trocknungsvorgang etwas zu beschleunigen habe ich dann mal beide Baustrahler (insgesamt knapp 2 kW) mit genügend Abstand (ich hab es ja erst auf die harte Tour gelernt) auf das Verdeck gerichtet. Da ohnehin schon gefühlte 40°C in der Garage waren ging das Ganze dann auch recht flott! Nach einer guten ¾ Stunde sah das ganze dann so aus:
Je nach Imprägnierung muss man dann die angrenzenden Flächen abkleben, da nicht alle wieder problemlos zu entfernen sind. In meinem Fall jedoch mit der Puratex Imprägnierung funktioniert das hervorragend, wenn man die Reste gleich wegwischt. Also schön im Kreuzstrich das ganze Dach eingesprüht um 100%ige Deckung zu erreichen.
Während die Imprägnierung durchtrocknete habe ich versucht mal vom Zustand des Lackes ein paar Bilder zu machen. Leider ist das bei silber nicht ganz so einfach, sodass nur ein Bild halbwegs etwas wurde. (Ich hoffe man erkennt es auch noch nach dem runterskalieren)
Das Kneten des Lackes durfte natürlich auch nicht fehlen, wobei dabei wirklich sehr wenig runter gekommen ist -> Garagenwagen. Hier mal ein Bild vom unteren Drittel des rechten, vorderen Kotflügels.
Der Rest war noch weniger, also wirklich sehr sehr sauber.
Jetzt folgt der eigentlich wichtigste Schritt bei einem Cabrio: das Verdeck abdecken um die frische Imprägnierung vor ölhaltigen Polierstäuben zu schützen. Hierbei lieber 5 Minuten mehr Zeit und ein Meter mehr Klebeband investieren und dafür dann am Ende sicher sein, dass nichts draufkommt.
Wenn man das Klebeband schon mal in der Hand hat kann man auch die restlichen unlackierten Plastikteile und Scheinwerfer, Logos etc. abkleben. Hier merkt man auch den gewaltigen Unterschied zwischen diesem Jaguar und vielen anderen Kisten die Mitte der 90er gebaut wurden: man findet kein unlackiertes Plastik dadurch habe ich fürs abkleben gerade mal 15 Minuten gebraucht.
Also noch geschwind einen Testspot auf der Haube abgeklebt und losgehts.
Menzerna PF2500 und orangenes Lake Country Pad (meine momentane Lieblingscombo) und gib ihm. Ergebnis:
Passt soweit. Beim bearbeiten des Testspots habe ich mich gleich mit ein paar Eigenheiten der Motorhaube einstellen können und habe dementsprechend meine Einteilung der Motorhaube in Polierfelder nochmal über den Haufen geworfen. Denn normalerweise Teile ich mir solche großen Flächen gerne in Quadrate ein (drei Bahnen horizontal und drei Bahnen vertikal, mit jeweils 1/3 des Pads Überschneidung) hier musst ich mich jedoch der Form der Haube anpassen und die Vierecke länger, aber schmaler machen.
Hier noch zwei Bilder vom Testspot:
Weiter geht’s. 50/50 am Kotflügel der Beifahrerseite. Die Politur habe ich vermutlich auch dank der großen Hitze mit 2-3 Kreuzstrichen ohne jeglichen Druck bei 2000 Umdrehungen pro Minute durchgearbeitet. Ich hatte den Eindruck, dass die Politur eben auch „dank“ der Hitze relativ schnell ausgetrocknet ist und so das Pad zusetzte.
Ein kläglicher Versuch den 50/50 mit dem Finger als Fokussierungspunkt deutlicher zu machen, mit dem Ergebnis, dass die anderen Bilder besser waren
Spiegel vorher:
Spiegel nachher:
Sobald das Pad so aussieht kommen die bei mir in die Wäsche:
Wenn wir schon bei dem Thema sind: kauft euch genug Pads, wenn ihr eine anständige Aufbereitung machen wollt. Ich finde es immer schade, wenn Leute viel Geld in Autopflegemittel stecken, dann aber nur 4 Pads haben und hoffen damit ein ganzes Auto bearbeiten zu können.
Kratzer unter dem Beifahrertürgriff:
Hier hilft der Finger wieder.
Nachher
50/50 am hinteren Kotflügel ich habe das Klebeband als Fokussierungspunkt mal drangelassen, auch wenn es nicht so gut aussieht.
Ich denke man sieht ganz schön den Unterschied.
Also weitergeht es mit der Heckklappe:
50/50 vorbereitet:
Nachher, allerdings von der anderen Seite fotografiert um noch etwas zu erkennen
Heckklappe komplett fertig:
Kotflügel hinten auf der Fahrerseite:
Näher dran, ich denke hier sieht man auch ganz schön den Grauschleier der auf dem Lack lag.
50/50
Kotflügel komplett:
Näher dran:
Fahrerspiegel vorher:
Nachher:
Fahrertür fertig, noch mit paar kleinen Politurresten:
Hier schlummert das Herzstück, mehr wie Staubwischen habe ich allerdings aus zeittechnischen Gründen nicht geschafft.
Nach dem Durchgang mit der PF2500 habe ich noch eine Runde mit der SF4000 und den schwarzen Lake Country Pads gedreht, lief genauso ab wie der erste Durchgang, nur gab es keine verwertbaren Fotos auf denen man etwas gesehen hat.
Damit ihr einmal ein Gespür bekommt wie viele Pads man an so einem Auto verbraten kann: 18 von den orangenen, 14 von den schwarzen, 5 schwarze und orangene Spotpads. Dazu noch 3 Handpolierpads für die Stellen wo es mit der Maschine mit dem besten Willen nicht ging.
Dann kommt die Arbeit die mir immer am meisten Spaß macht: das Klebeband abziehen.
Anschließend habe ich den Jaguar wieder nach draußen gebracht einmal mit Wasser abgespritzt und anschließend mit all purpose cleaner 1:10 benetzt um den Ölfilm auf dem Lack vom polieren aufzureißen und anschließend mit einer 2 Eimer Wäsche (wieder das Maxi Suds II als Shampoo) gewaschen. Nach dem Abtrocknen war dann Feierabend angesagt. Es war dann auch immerhin schon 22:30 Uhr. Reine Arbeitszeit bisher: 14h
Den Abend hab ich dann noch mit einem Bierchen ausklingen lassen und hab mich ruck zuck ins Bett verdrückt, denn um 5 Uhr am nächsten Tag klingelte der Wecker.
6 Uhr stand ich dann wieder in der Garage. Um wieder locker zu werden habe ich dann eine Schicht Lime prime light aufgelegt. Da gibt es ja auch viele Diskussionen, nach der SF4000 noch Lime prime oder nicht, allgemein, vor dem Dodo Juice Supernatural Hybrid Lime Prime oder nicht. Ich habe mich dieses mal dazu entschlossen es zu verwenden, weil ich bei so einem Auto das bestmögliche Ergebnis erhalten wollte. Also schön mit einem Lupus Autopflege Shop Applikator das Lime Prime light einmassiert und direkt im Anschluss mit einem Mikrofasertuch abnehmen zurück bleibt ein noch dunkleres und satteres silber. Und eben eine Glätte, Wahnsinn. Als Versiegelung habe ich mich für das Supernatural Hybrid entschlossen, da die Standzeit super ist und das Produkt 1a zu verarbeiten ist. Und weil wir ja klotzen und nicht kleckern habe ich jeweils im Abstand von 1,5h 5 Schichten (FÜNF!!) von dem Hybrid aufgetragen. Es war unglaublich wie der Lack mit jeder Schicht dunkler wurde. Die kurze Zeit zwischen den Schichten lies sich daher realisieren, weil es einfach unglaublich heiß in der Garage war. Dazwischen habe ich immer mit Bürsten, Wattestäbchen, Zahnstochern etc. den Innenraum gereinigt. Auch hiervon keine Bilder, weil ich damit beschäftigt war nicht meine ganze Arbeit im Innenraum durch Schwitzen zunichte zu machen dafür aber einige Semifinishbilder. Warum nur Semifinish? Weil es so langsam aber sicher recht spät wurde und ich noch ein bisschen Licht haben wollte.
Innen:
Im Anschluss habe ich noch eine Schicht Swizöl Concorso aufgetragen. Das war noch so das Tüpfelchen auf dem i. Davon dann leider keine Bilder mehr, da gegen 21:30 Uhr der Besitzer dastand und mir den (verdienten) Feierabend verordnet hat. Dass er zufrieden mit der Arbeit war muss ich wohl nichtmehr gesondert erwähnen.
Was bleibt mir im Anschluss zu sagen:
- 25 von Björns 60x40 Tüchern sind zu wenig bei einem Auto in dieser Größenordnung.
Deswegen habe ich mir gleich nochmal 5 bestellt.
- der Wagen ist der Hammer! Auch wenn es sicher nicht der schönste Jaguar aller Zeiten ist war es ein Vergnügen ihn aufzubereiten. Dass er am Ende mit seinem Besitzer um die Wetter gestrahlt hat macht dann die ganze Arbeit nochmal viel schöner.
- Mit seiner Motorhaube und den ganzen Wellen darin war es mit Abstand das komplizierteste Teil das ich bisher behandeln durfte (Stichwort "gegenläufige Biegungen"). Ich hab glaube ich noch nie so oft auf den kleinen Stützteller mit Spotpads wechseln müssen wie an der Haube. Der Grund: die 120mm Pads waren für die Stück neben dem mittleren Teil der Haube zu breit, sodass es mit den kleinen Pads einfach komfortabler ging.
Bei 40°C polieren ist Schwerstarbeit. Einerseits kühlt das Blech nichtmehr richtig ab und andererseits muss man aufpassen, dass der Schweiß nicht in der zu behandelnden Fläche oder auf der Maschine landet. Nebenbei muss man dann natürlich noch die üblichen Dinge beim polieren beachten -> Multitasking extrem.
Ich hoffe ihr hattet beim lesen so viel Spaß wie ich beim schreiben, sorry es ist dieses mal relativ viel Text geworden.
Bis zum nächsten mal, Gruß
Himmel